Aufruf jüdischer Intellektueller zur Ablösung von Felix Klein als Antisemitismus-Beauftragten der dt. Bundesregierung
Sehr geehrter Herr Minister Seehofer,
Wir, jüdische Gelehrte und KünstlerInnen aus Israel und anderswo, von denen viele ExpertInnen zu Antisemitismus, Judaistik, Holocaust- und Israel-Studien sind , fordern Sie auf, Felix Klein zu ersetzen, den Beauftragten der Bundesregierung für das jüdische Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, nach seinem schändlichen Angriff auf Prof. Achille Mbembe.
Herr Horst Seehofer
Bundesminister des Innern,
Bau- und Wohnungswesen
Alt-Moabit 14010557 Berlin/Deutschland
In Kopie an: Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
Heiko Maas, Minister für Auswärtiges
Betrifft: Aufruf zur Ablösung Felix Kleins als Beauftragtem der Bundesregierung für die Bekämpfung des Antisemitismus
30.April 2020
Sehr geehrter Herr Minister Seehofer,
Wir, jüdische Wissenschaftler und KünstlerInnen aus Israel und anderswo, von denen viele auf Antisemitismus, Judaistik, Holocaust und Israelwissenschaften spezialisiert sind, fordern Sie auf, Felix Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für das jüdische Leben in Deutschland und die Bekämpfung des Antisemitismus, nach seinem schändlichen Angriff auf Prof. Achille Mbembe, abzulösen.
Prof. Achille Mbembe ist, wie Sie wissen, einer der bedeutendsten Intellektuellen Afrikas, dessen humanistische Stimme und Gelehrsamkeit weltweit gehört und bewundert wird.
Wir halten Herrn Kleins Versuch, Prof. Mbembe als Antisemiten darzustellen, für unbegründet, unangemessen, beleidigend und schädlich.
Wir sind uns bewusst, dass der Angriff auf Prof. Mbembe von Dritten initiiert wurde, die ihn als Eröffnungsredner der diesjährigen Ruhrtriennale ablehnten. Angesichts seiner offiziellen Rolle und Verantwortung halten wir es für inakzeptabel, dass Herr Klein sich diesem Angriff, der zu einer Hexenjagd herabsank, angeschlossen hat.
Wir sind bestürzt, dass Herr Klein dies getan hat, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, das Werk von Prof. Mbembe zu studieren. Stattdessen stützte er sich für seine Anschuldigungen auf eine zutiefst selektive Lektüre und manipulative Interpretation der Schriften von Prof. Mbembe durch Dritte. Wenn man bedenkt, dass der Vorwurf des Antisemitismus das Ansehen eines Menschen ruinieren kann, ist dies an sich schon ein schwerwiegendes berufliches und moralisches Fehlverhalten.
Das Festival Ruhrtriennale wurde wegen des Coronavirus inzwischen abgesagt. Dieser Vorfall kann jedoch nicht ohne Folgen für Herrn Klein bleiben. Neben der persönlichen und beruflichen Schädigung von Prof. Mbembe hat Klein dem dringenden Kampf gegen den echten Antisemitismus einen Bärendienst erwiesen und einen Schatten auf die Integrität seines öffentlichen Amtes geworfen.
Mit dem Vorwurf, Prof. Mbembe habe den Holocaust „relativiert“, hat Klein auch der akademischen Freiheit geschadet. Dieser toxische Vorwurf bezieht sich auf die Studie von Prof. Mbembe in Bezug auf den Holocaust-Vergleichskontext. Wir möchten ganz klar sagen: eine solche Studie ist keine Verharmlosung des Holocaust und schon gar nicht Antisemitismus. Sie ist legitim, wesentlich und in der Tat alltäglich in der Holocaust- und Völkermordforschung. Ungefähr 600 führende Holocaust-ForscherInnen haben kürzlich behauptet, dass das Verbot von Analogien in der Debatte über den Holocaust“eine radikale Position ist, die weit von der Mainstream-Forschung über den Holocaust und Völkermord entfernt ist. Und die es fast unmöglich macht, aus der Vergangenheit zu lernen“.
Kleins Angriff auf Prof. Mbembe passt in ein Muster. Er hat eine führende Rolle bei der „Umwandlung“ des Antisemitismus „in eine Waffe“ gegen KritikerInnen der israelischen Regierung und AktivistInnen übernommen, die von ihrer Rede- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, um gegen Israels Verletzungen der Grundrechte der PalästinenserInnen zu protestieren.
Als offizieller Vertreter der deutschen Regierung untergräbt Herr Klein die Ausübung der Grundfreiheiten – dies sollte Ihre Regierung angesichts ihres Bekenntnisses zu demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit zutiefst beunruhigen.
Ungerechtfertigte Vorwürfe des Antisemitismus schaffen in Deutschland zunehmend ein Klima der Angst und halten Intellektuelle, JournalistInnen und die breite Öffentlichkeit davon ab, sich frei zu kontroversen Themen zu äußern, die öffentlich debattiert werden sollten. Gerade in dieser Stunde ist eine freie und kritische Rede in Bezug auf Israel notwendiger denn je.
Während die Welt verzweifelt gegen das Coronavirus kämpft, bewegt sich die neue israelische Regierung auf die Annexion wichtiger Teile der besetzten palästinensischen Westbank zu – eine schwere Verletzung des Völkerrechts, die die Situation zweier Völker mit ungleichen Rechten innerhalb eines Territoriums formalisiert.
56 ehemalige Mitglieder der Knesset, von denen einige als Minister in verschiedenen israelischen Regierungen gedient haben, warnten kürzlich davor, dass dadurch ein Apartheidstaat in Israel-Palästina etabliert würde.
Hält Herr Klein sie für Antisemiten? Und alle anderen, die nach der Umsetzung der Annexion von Ungleichheit und Diskriminierung sprechen werden?
Diese Fragen stellen sich, nachdem Herr Klein Prof. Mbembe des Antisemitismus beschuldigt hat, weil er Israel angeblich mit dem einstigen Apartheidstaat Südafrika gleichsetzt.
Darüber hinaus hat Herr Klein aggressive Kampagnen gegen Organisationen und Einzelpersonen, einige von ihnen Jüdisch, aufgrund ihrer Unterstützung für „BDS“ gefördert und verstärkt. Er ist eindeutig besessen von der BDS-Kampagne, die in Deutschland nur einen winzigen Fußabdruck hat, und scheint ihr mehr Zeit zu widmen als der akuten Bedrohung, die der Anstieg des rechtsextremen Antisemitismus für JüdInnen und jüdisches Leben in Deutschland darstellt.
Unsere Ansichten über BDS gehen auseinander, aber es ist völlig klar: BDS als solches ist nicht antisemitisch und wird essentiell durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt, was auch von mehreren deutschen Gerichten bestätigt wurde. Es ist bedauerlich, aber nicht überraschend, dass die israelische Regierung Krieg gegen BDS führt – aber wie kann sich ein deutscher Regierungsbeamter diesem Krieg in Frontlinie anschließen?
In diesem Zusammenhang möchten wir hinzufügen, dass dieser Anti-BDS-Kreuzzug unbestreitbar zur Marginalisierung nicht-weißer Stimmen und Minderheiten in Deutschland beiträgt und Rassismus und nationalistische Emotionen fördert.
Wir bedauern auch, dass Herr Klein den politisierten Missbrauch der IHRA-Definition, die Antisemitismus mit Kritik und Aktivismus gegen Israel verbindet, gefördert hat, um GegnerInnen der israelischen Politik zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen. Auch hier beobachten wir, dass Herr Klein in Synergie mit der israelischen Regierung arbeitet.
Genau diese israelische Regierung bereitet sich derzeit auf die Annexion wichtiger Teile Palästinas vor. Um diesen dramatischen Schritt politisch abzuschirmen und von den dokumentierten Beweisen für die systematische Verletzung der Menschenrechte der PalästinenserInnen abzulenken, hat sie absichtlich Antisemitismusvorwürfe zur Waffe gemacht.
Seit seiner Ernennung im Mai 2018 hat Herr Klein diese fatale Instrumentalisierung, die – wie wir wiederholen möchten – dem Kampf gegen den echten Antisemitismus schadet, bei zahlreichen Gelegenheiten ermöglicht und legitimiert; das jüngste Beispiel ist sein Angriff auf Prof. Mbembe.
Aus all diesen Gründen halten wir Herrn Klein für unqualifiziert und ungeeignet für die ihm übertragene wichtige Aufgabe. Er ist ein Beamter, der unter Ihrer politischen Verantwortung arbeitet. Wir fordern Sie auf, Herrn Klein unverzüglich als Beauftragter der Bundesregierung für das jüdische Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus abzulösen.
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version), red. HS
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