Konzert Friedens- und Antikriegslieder in Thal
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„Meine Söhne geb ich nicht!“
Wir leben in bedrohlichen Zeiten. Die sich verschärfenden Widersprüche im global agierenden
kapitalistischen Profit-, Konkurrenz- und Ausbeutungssystem führen zunehmend zu humanitären
Großkatastrophen (etwa seit Jahrzehnten im Ostkongo und aktuell im Sudan) und kriegerischen
Konflikten.
Drei Konfliktherde tragen die Sprengkraft eines möglichen Weltkrieges in sich: Der
Stellvertreterkrieg des Westens mit Russland in der Ukraine und der Krieg um das historische
Palästina sind bereits entflammt, der Taiwan-Konflikt zwischen China und den USA im Pazifik ist
im Stadium des Vorkriegs. „Wo Gefahr wächst, wächst das Rettende auch!“ hoffte Hölderlin. In
diesem Sinn könnte eine starke internationale Friedensbewegung ein rettendes Element sein. Allein
es gibt sie (noch?) nicht!
Musik kann ein unterstützender Hebel sein, um eine solche Bewegung zu schaffen. In diesem Sinn
bescherte das harmonische Zusammenspiel der beiden exzellenten Gitarristen Gerald Schreiner und
Gerry Freidl am 22. Nov. im Gemeinschaftsraum den Besucherinnen einen sehr gelungenen Abend.
Auf dem Programm standen in Englisch, deutsch, italienisch und französisch gesungene Friedens-
und Antikriegslieder aus dem 20. Jahrhundert. Bob Dylans ironisch-bittere Songs „With God on
Our Side“ und „John Brown“ durften dabei ebenso wenig fehlen, wie Reinhard Meys Ballade
„Nein, meine Söhne geb`ich nicht!“. Fremsprachige Texte wurden von den Musikern übersetzt und
erklärt. Auf einer grundsätzlich pazifistischen Gesinnung rankten sich die Themen der Lieder um
die Schrecknisse des Krieges und um unsere Verantwortung sie in den „Noch-Friedenszeiten“
vorausblickend zu verhindern.
Wie kommen wir zu einer Friedensbewegung, die sich in bestehende Kriege entschlossen für
Waffenstillstände und Friedensverhandlungen einsetzt und die heraufdämmernde Vorkriege
frühzeitig erkennt und entschärft? An der Wurzel dieser Entwicklungen stehen immer Politiken der
Angstmache und der Feindbildproduktion, die dann – je nach den erfolgversprechenden
Machtstrategien – in einer subtilen oder massiven Kriegspropaganda umgesetzt werden. Das 2001
erschienene Büchlein „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ der belgischen Historikerin Anne
Minelli enthält dazu zahlreiche Beispiele.
Es sind ja keineswegs unabänderbare Sachzwänge die uns immer wieder in Kriege treiben. So hatte
etwa Europa in den 1960er und 1970er Jahren mit Willi Brandt, Bruno Kreisky und Olof Palme
kluge Friedenspolitiker. Sie vermochten eine Politik der Angst mit einer Politik der Hoffung zu
überwinden und Feindbilder aufzubrechen. Der Helsinki-Prozess, die Gründung der OSZE und der
Aufbruch des sowjetischen Herrschaftssystems unter Michail Gorbatschow waren u.a. die
erfreulichen Ergebnisse der berühmten Brandt`schen Zielformulierung „Wir wollen ein Volk der
guten Nachbarn sein!“. Diese friedenspolitischen Perspektiven erscheinen heute wieder verspielt,
Schmerzlich fehlen hüben und drüben politische Führungspersönlichkeiten mit hoher
friedenspolitischer Phantasie und Kompetenz. Aber diese PolitikerInnen fallen natürlich auch nicht
einfach vom Himmel, sondern sind Erscheinungen breiter gesellschaftlicher Bewegungen. Diese
gilt es wieder zu schaffen. So gesehen bot das letzte Lied des Konzerts, der von Joan Baez zur
Hymne der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gemachte Gospel-Song „We Shall
Overcome“ einen hoffnungsvollen Abschluss.
Obwohl das Konzert in Hauspatschen-Distanz der LindenhofbewohnerInnen stattfand, vermochte
die Freude über die künstlerische und emotionale Qualität des Abends die Enttäuschung über die
geringe Zahl der BesucherInnen nicht zu verderben.
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